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Gesellschaftliche Naturverhältnisse und globale Umweltkrise // 4.-6. Mai 2023 // Humboldt-Universität zu Berlin, Senatssaal

Gesellschaftliche Naturverhältnisse und globale Umweltkrise – transdisziplinäre Gender- und Intersektionalitätsforschung zu Klimawandel und Nachhaltigkeit

Der menschengemachte Klimawandel beschäftigt Wissenschaft und Politik seit Jahrzehnten und kommt inzwischen auch im Recht an. Gesellschaftliche Naturverhältnisse haben sich seit der Industrialisierung in einem Ausmaß verändert, das globales (Über-)Leben auf der Erde in Frage stellt. Schon zu Beginn der siebziger Jahre wurde mit dem Bericht an den Club of Rome auf die „Grenzen des Wachstums“ verwiesen. Die Organisation der Ökonomie wurde damit schon früh als Treiber für die ökologische Krise benannt. Soziologische Analysen ordnen den drohenden ökologischen Kollaps in den widersprüchlichen Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung ein. Feministische Positionen verstehen die gegenderten Hierarchien, die dem Verhältnis von Mensch und Natur zugrunde liegen, als fundamentale Ursache und konkreten Ausdruck der globalen Umweltkrise. Diese Hierarchien setzen sich in Klimapolitik und -recht fort. Gleichzeitig halten feministische Perspektiven Visionen bereit, wie das Mensch-Natur-Verhältnis neu gedacht werden kann.

Politische Prozesse auf unterschiedlichen Ebenen, von der globalen bis zur lokalen Ebene, versuchen seit mehr als dreißig Jahren, die Umweltkrise zu politisieren und zu regulieren. Vom Weltgipfel zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992, der die Klimarahmenkonventionen als internationalem Rechtsrahmen etablierte, bis zur Fridays for Future-Bewegung oder den „Klimaklagen“ gab und gibt es zahlreiche Ansätze, den Klimawandel nicht als rein naturwissenschaftlich zu untersuchendes Phänomen zu sehen, sondern als gesellschaftlichen Konflikt, der politisch verhandelt und gesteuert werden muss. Die Vorschläge dazu sind vielfältig. Sie reichen von der rechtlichen Regulierung nach dem Verursacherprinzip über die Forderung nach nachhaltiger Entwicklung bis zum Umsturz der kapitalistischen Ökonomie. Hierbei erlangen vermehrt auch dekoloniale Perspektiven an Bedeutung, die den historischen Zusammenhang von Kolonialismus und Klimawandel und dessen Kontinuitäten aufzeigen, um globale soziale und Umweltgerechtigkeit einzufordern. Gleichzeitig sind scheinbar neutrale rechtliche, politische und wissenschaftliche Instrumente und Diskurse von kulturellen Annahmen und Erzählungen geprägt. Diese Erzählungen prägen Vorstellungen darüber, was an Natur wertvoll und schützenswert ist, bzw. viel grundlegender, was als Natur und somit als natürlich erachtet wird.

Die Tagung „Gesellschaftliche Naturverhältnisse und globale Umweltkrise –transdisziplinäre Gender- und Intersektionalitätsforschung zu Klimawandel und Nachhaltigkeit“ nähert sich dem Thema aus u.a. soziologischen, rechtlichen, geographischen, politischen und kulturwissenschaftlichen Perspektiven. Theoretische Analysen des hierarchisierten Mensch-Natur-Verhältnisses und der darin nach wie vor wirkmächtig eingeschriebenen Geschlechterordnung werden ergänzt durch empirische Untersuchungen soziologischer, rechtlicher, ökonomischer und politischer Aspekte von konkreten Verschränkungen menschlicher und nicht-menschlicher Handlungsmacht.

 

Thematische Bezugspunkte

Die Konstruktion von Wissen in Bezug auf den Klimawandel ist nach wie vor stark naturwissenschaftlich geprägt. Entsprechend gehen auch Vorstellungen der politischen und rechtlichen Regulierung davon aus, dass es lediglich besserer Einsicht bedarf, um dieses Wissen in Gestaltungsmacht umzusetzen.

  • Was jedoch gilt als legitimes Wissen, welche wissenschaftlichen Regime prägen dieses Wissen?
  • Wer wird in die Wissensproduktion ein- und ausgeschlossen und welches Wissen wird ausgeblendet?
  • Trägt die Wissensproduktion und -rezeption (z.B. in Gerichtsverfahren) selbst zum Umsetzungsproblem bei?
  • Wie gehen wir in der Governance von Nachhaltigkeit mit den komplexen Verschränkungen von Wissen, Macht und menschlicher und nicht-menschlicher Handlungsmacht um?

Die Umsetzung von Wissen in Handeln ist seit vielen Jahren ein Dilemma in der Umweltforschung. Dies lässt sich mit der Komplexität der gesellschaftlichen Naturverhältnisse begründen.

  • Gibt es dennoch identifizierbare Hemmnisse für die Stagnation in der Umweltpolitik?
  • Welche Bedeutung hat symbolische Männlichkeit für die Umweltpolitik?
  • Welche Rechtsnormen implizieren gegenderte Hierarchien?
  • Welches Potential birgt Rechtsmobilisierung in klimarelevanten Verfahren? Wie sind neue Ansätze wie Rechte der Natur, Rechtssubjektivität von Tieren, Wäldern oder Gewässern einzuschätzen? Auf welche Vorstellungen von Natur und Geschlecht treffen sie im Rechtsdiskurs?
  • Welche anderen Bilder und Narrative der Zukunft zum Beispiel aus der feministischen Science Fiction oder queeren Utopien braucht es?
  • Wie sind Literatur und Kunst in der Lage, die globale Umwelt- und Biodiversitätskrise einzufangen?

Gleichzeitig sind vielfältige Formen des Protests, des Widerstands und des rechtlichen Vorgehens seit jeher Teil der Umweltpolitik. Der Umfang jeder dieser Aktionsformen variiert und wird durch gesellschaftliche Diskurse und Machtverhältnisse geprägt.

  • Wie können wir Wissensstrukturen in der Praxis aufbrechen? Welche Handlungsformen sind erfolgversprechend, welche Akteure engagieren sich in welcher Weise, welche Erfolgschancen haben sie und welche Erfolge sind bereits erzielt worden?
  • Welche Herausforderungen ergeben sich aus der Krise der gesellschaftlichen Naturverhältnisse für den Wissenstransfer in die Praxis?
  • Welche narrativen, visuellen und performativen Strategien verfolgen Aktivist*innen, Filmschaffende, Schriftsteller*innen und Künstler*innen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf globale Umweltveränderungen zu lenken?

Im Extremfall entziehen sich die Wechselwirkungen zwischen Mensch und der mehr-als-menschlichen Welt der politischen Kontrolle, wie die Coronavirus-Pandemie deutlich gezeigt hat. Mit Blick auf die Zukunft wird die Frage nach solchen Wechselwirkungen immer akuter. 

  • Welche Formen der präventiven politischen Regulierung sind denkbar und notwendig?
  • Welche wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Regelungen sind angesichts der aktuellen Krise der Mensch-Umwelt-Beziehungen dringend erforderlich?
  • Was genau muss sich ändern (z.B. im Recht), damit die Wechselwirkungen zwischen Mensch und der mehr-als-menschlichen Welt mehr Anerkennung finden, und ist ein solcher Wandel möglich? Gibt es Bereiche, die für diese Anpassungen besonders geeignet sind?

Wir laden Beiträge aus allen Disziplinen ein, insbesondere solche, die intersektionale Zugänge wählen und die Komplexität der gesellschaftlichen Naturverhältnisse und der globalen Umweltkrise ergründen. Wir freuen uns über Abstracts für 20-minütige Vorträge. Abstracts sollten maximal 400 Wörter lang sein. Bitte fügen Sie auch eine knappe Kurzbiographie bei (50-100 Wörter).

Bitte senden Sie Ihr Abstract und Ihre Kurzbiographie bis zum 29. August 2022 in Deutsch oder Englisch an: ztg-sekretariat[at]gender.hu-berlin.de

Bestätigte Vortragende: Seema Arora-Jonsson (Swedish University of Agricultural Sciences), Sumudu Atapattu (University of Wisconsin-Madison), Stefania Barca (University of Santiago de Compostela), Barbara Holland-Cunz (Justus-Liebig-Universität Giessen), Martin Hultman (Chalmers University of Technology, Gothenburg), Hyo Jeong Kim (Ewha Womans University, Seoul), Sherilyn MacGregor (The University of Manchester), Karen Morrow (Swansea University) Astrida Neimanis (The University of British Columbia), Kainyu Njeri (Tesifa Initiatives und Shakti Rising), Farhana Sultana (Syracuse University)

Das Vorbereitungsteam
Christine Bauhardt, Suse Brettin, Meike Brückner, Gabriele Jähnert, Sandra Jasper, Petra Sußner, Ida Westphal