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„If the law does not work, why should it rule?“

Der Topos der Krise der Rechtsstaatlichkeit in Polen aus der Perspektive zivilgesellschaftlicher Akteur*innen

Bei den polnischen Parlamentswahlen im Oktober 2023 ging es ums Ganze: Wenn es der autoritär-nationalistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) gelänge, eine dritte Legislaturperiode in Folge an der Macht zu bleiben, dann werde die liberale Demokratie in Polen vollends abgeschafft, hieß es in oppositionellen Kreisen. Diese Sorge mobilisierte eine Rekordzahl an Wahlberechtigten, insbesondere Frauen und junge Menschen in den Städten, und die demokratische Opposition gewann die Wahl. Zugleich war das Thema der bedrohten Rechtsstaatlichkeit im Wahlkampf kaum präsent, denn es galt als zu abstrakt und kompliziert. Was unter Rechtsstaatlichkeit zu verstehen ist, wem sie nützt und ob sie im Wahlkampf mobilisiert werden sollte, welche Assoziationen und Konnotationen die Rede von der Rechtsstaatlichkeit hervorruft, welche Dilemmata mit ihr verbunden sind, welche anderen politischen Konflikte sie möglicherweise überlagert und was sie für die Demokratie bedeutet – all dies war und ist heftig umstritten.

Das Teilprojekt 0 – zugleich Koordinationsprojekt der FOR – beleuchtet auf der Grundlage von Interviews mit polnischen Expert*innen aus der Zivilgesellschaft unterschiedliche Bedeutungen von Rechtsstaatlichkeit als Politikum. Es liefert weder eine Einschätzung über den objektiven Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Polen noch eine Chronologie ihrer „Krise“, sondern es hinterfragt diesen Topos und beschreibt, auf welche Arten und Weisen Rechtsstaatlichkeit problematisiert werden kann. Dabei zeigt sich, dass die Ambivalenz des Rechts besonders deutlich zutage tritt, wenn der Rechtsstaat als solcher nicht funktioniert. Doch so ungerecht, ineffektiv und ineffizient das Rechtssystem vorher schon gewesen sein mag – ohne prozedurale Rechte gibt es auch keinen Schutz von Menschenrechten. Lohnt es sich also, das Recht zu retten? Um die unterschiedlichen Antworten auf diese Frage geht es in diesem Projekt.

Team:   Patrick Wielowiejski   Maria Lorenzen

Förderphase 1 (2018-2021)